Ralf Gnosa freier Schriftsteller und Literaturwissenschaftler


Direkt zum Seiteninhalt

Robert Southey: The Scholar - Der Gelehrte

Robert Southey (1774-1843) - The scholar

My days among the Dead are past;
Around me I behold,
Where'er these casual eyes are cast,
The mighty minds of old:
My never-failing friends are they,
With whom I converse day by day.

With them I take delight in weal
And seek relief in woe;
And while I understand and feel
How much to them I owe,
My cheeks have often been bedew'd
With tears of thoughtful gratitude.

My thoughts are with the Dead; with them
I live in long-past years,
Their virtues love, their faults condemn,
Partake their hopes and fears,
And from their lessons seek and find
Instruction with an humble mind.

My hopes are with the Dead; anon
My place with them will be,
And I with them shall travel on
Through all Futurity;
Yet leaving here a name, I trust,
That will not perish in the dust.

Robert Southey - Der Gelehrte

Die Tage ich mit Toten lebt',
Ich seh um mich gereiht,
Wenn zufällig mein Blick sich hebt,
Die Geister alter Zeit:
Sie sind mir Freunde treu und stet,
Mit denen Tag für Tag ich red.

Mit ihnen freu ich mich im Glück
Und suche Trost im Weh,
Und wenn ich sinnend schau zurück,
Mich tief in Dankschuld seh,
Dann feuchten sich die Wangen mir
In nachdenklichem Dank dafür.

Mein Denken stets den Toten gilt,
Bei denen ich geweilt,
Liebt ihren Ruhm, ihr Irren schilt,
Ihr Hoffen, Fürchten teilt
Und sucht und findet stets Geleit
Bei ihnen voll Bescheidenheit.

Mein Hoffen bei den Toten steht,
Bei denen ich stets bin,
Mit ihnen meine Reise geht
Durch alle Zukunft hin;
Mein Name bleibt gewiß bestehn,
Wird, glaub ich, nicht im Staub vergehn.


Robert Southey gehört zweifellos zu der Gruppe von Autoren, deren zeitgenössischer Ruhm ganz dem Grad der Verschmähung durch spätere Generationen entspricht - Beispiele in Deutschland gibt es viele, etwa Geibel, Freiligrath, Heyse oder Binding. Jugendlich revolutionär gesinnt und zum Kreise der "Lake poets" gehörig, wandelte er sich rasch zum Konservativen und scheint literaturgeschichtlich oft nur noch als Fußnote auf - dabei brachte er es 1813 zum "Poet Laureate"! Dennoch kommt er in deutschen Anthologien des 20. Jahrhunderts so gut wie nicht vor; ganz vereinzelt greift man noch auf Freiligraths Nachdichtungen zurück. Selbst der voluminösen Reclam-Anthologie "Gedichte der englischen Romantik" scheint er völlig verzichtbar. Eine neuere Übersetzung eines Southey-Gedichts kenne ich nicht.
Ob dieses Übersehen Southeys gerechtfertigt ist - ich weiß es nicht. Ich kenne sein Werk kaum. Die Wahrheit dürfte wohl in der Mitte liegen.
Sein Gedicht "The scholar" jedenfalls ist ein schönes Genrebild, zugleich auch ein Idealbild zufriedenen, ja, glückhaften Gelehrtenlebens. Es ist kein dichterisches Meisterwerk, man sollte es gar nicht zu "hochhängen", aber ich denke, daß es jedem, der zumindest zeitweilig sein Leben zwischen Papieren und Büchern verbringt, ein Lächeln ins Gesicht zaubern dürfte.
Ein wenig unzufrieden bin ich noch mit meiner dritten Strophe. Die Vergangenheitsform dort in Vers 2 scheint mir zwar nicht falsch - jedenfalls möglich; der folgende Anschluß an das Präsens in Vers 1 ist auch an sich korrekt, aber diese Konstruktion ist doch viel zu kompliziert und verwirrend, was gerade bei einem so liedhaft-schlichten Gedicht nicht gerade passend ist. Auch für die Arbeit an diesem Gedicht gilt also wieder einmal: "to be continued"...


Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü