Ernest Dowson (1867-1900) - Flos Lunae
I would not alter thy cold eyes,
Nor trouble the calm fount of speech
With aught of passion or surprise.
The heart of thee I cannot reach:
I would not alter thy cold eyes!
I would not alter thy cold eyes;
Nor have thee smile, nor make thee weep:
Though all my life droops down and dies,
Desiring thee, desiring sleep,
I would not alter thy cold eyes.
I would not alter thy cold eyes;
I would not change thee if I might,
To whom my prayers for incense rise,
Daughter of dreams! my moon of night!
I would not alter thy cold eyes.
I would not alter thy cold eyes,
With trouble of the human heart:
Within their glance my spirit lies,
A frozen thing, alone, apart;
I would not alter thy cold eyes.
Ernest Dowson - Flos Lunae
Nie würd ich deine kalten Augen rühren,
Noch unsrer Rede ruhigen Fluß verstörn
Durch Hauch der Leidenschaft, dir jäh zu spüren.
Dein fernes Herz kann niemals mir gehörn:
Nie würd ich deine kalten Augen rühren!
Nie würd ich deine kalten Augen rühren,
Den nie dein Lächeln, nie dein Weinen traf:
Ob auch mein Leben welkend todwärts führen
Stets mehr Sehnsucht nach dir, Sehnsucht nach Schlaf,
Nie würd ich deine kalten Augen rühren.
Nie würd ich deine kalten Augen rühren,
Würd nie dich ändern, stünd's in meiner Macht,
Der meine Lieder weihrauchgleich gebühren,
Tochter der Träume du! mein Mond der Nacht!
Nie würd ich deine kalten Augen rühren.
Nie würd ich deine kalten Augen rühren
Mit Menschenherzens Wirrnis oder Pein:
In ihrem Glanz kann meinen Geist ich spüren,
Ein tief gefrornes Ding, tief fremd, allein;
Nie würd ich deine kalten Augen rühren.
Ernest Dowson ist mir vielleicht der liebste englischsprachige Lyriker. Liebe ist ungerecht, ich weiß, sie zieht wenig gerechtfertigt und ohne rechte Relation Eines dem Anderen vor. Vielleicht ist Dowson einer der Autoren, der am reinsten die Epoche der Jahrhunderwende verkörpert, die ich so liebe? Und daher rührt es, daß mich seine Verse so ansprechen? Symbolismus und Decadence, l'art pour l'art, wie immer man die Stilrichtungen dieser Jahre nennen mag, in Dowson finde ich alle Nuancen gebündelt und in Vollendung. Und er kann Verse schreiben, die einfach hinreißen... Was kann man Größeres sagen?
"Flos Lunae" ist eines der schönsten Gedichte, die ich von ihm kenne. Es schien mir zunächst "unübersetzbar", aber ich habe mich dann zu der Freiheit entschieden, im Deutschen das Metrum um einen Fuß zu verlängern. So scheint mir eine adäquate Nachdichtung erreichbar; besser wäre es natürlich, wenn es jemandem im originalen Versmaß gelingen würde, aber selbst so habe ich mich an diesem Gedicht abgearbeitet. Nur im Vers 9 stellte sich die deutsche Entsprechung passend ein und es ergab sich die leidige Situation, den Vers mit Füllseln zu befüllen, um im metrischen Rahmen zu bleiben.
Der Titel "Flos Lunae" - woher kommt er? Man könnte schlicht als "Mondenblüte" oder "Blüte des Mondes" übersetzen; immerhin wird die Geliebte auch als "my moon of night" angeredet. "Flos" kann aber laut Wörterbuch weit mehr heißen, Blüte im Sinne von Blütezeit etwa, aber auch Jugendblüte und selbst Jungfräulichkeit. Die Darstellung der fernen Unberührbarkeit der Geliebten läßt auch diese Assoziation als möglich, ja, vielleicht von Dowson intendiert erscheinen.
Die strenge, harmonische Ordnung seiner Verse, hier durch die permanente Wiederholung des identischen Anfangs- und Schlußverses in jeder Strophe gesteigert, fehlt in Dowsons sogenanntem "wirklichen Leben" völlig. Zeitweilig in einem Londoner Hafendock lebend, von Alkohol und Drogen gezeichnet, der Tochter eines polnischen Restaurantbesitzers hoffnungslos verfallen, die dann den Kellner heiratete (Dowson scheint eine Neigung zu deutlich minderjährigen Mädchen gehabt zu haben) und zwischen "hoher Minne" und Prostitution haltlos schwankend - sein wohl berühmtestes Gedicht an "Cynara" gestaltet diesen Zwiespalt - , erscheint er wie das Idealbild eines Bohèmiens der 90er Jahre. Zugleich schrieb er zauberhafte Verse, gehörte zum "Rhymer's Club" wie Yeats oder der gleichaltrige Lionel Johnson, der sich zwei Jahre nach Dowson gleichfalls totgetrunken hat und wie er katholisch war. Dowson hat viel von der französischen Literatur gelernt, deren Vorreiterrolle für Symbolismus und Decadence-Dichtung in ganz Europa unstrittig ist: er übersetzte aus dem Französischen, er liebte Verlaines Lyrik, von der er Nachdichtungen schuf, zeitweilig lebte er auch in Paris. Man hat über ihn gesagt, daß er gleichzeitig Aphrodite Kränze wand und der heiligen Jungfrau Kerzen anzündete - ja, das kennzeichnet wohl treffend seine Zerrissenheiten. Als Romanfigur fände man Dowson vermutlich unglaubwürdig, konstruiert usw....
In der deutschen Dichtung, die in den Jahren etwa 1890-1914 so unglaublich reich ist, läßt sich dennoch kaum eine Entsprechung zu ihm finden. Vielleicht könnte man an Richard Perls (1873-1898) denken, das dekadente, elend an seinem Morphinismus verreckte enfant terrible des frühen George-Kreises; aber außer seinen wenigen Gedichten in den "Blättern für die Kunst" liegt von ihm nichts vor, außerhalb des George-Kreises wurde er nie bekannt und selbst in der George-Literatur spielt er eine winzige Statistenrolle. - George immerhin ist eigens nach England gereist, um Dowson zu treffen - dies erinnert an seine Bekanntschaft mit Hofmannsthal, nicht wahr? - , aber er traf diesen bereits im Zustande weitgehenden Verfalls an, die Begegnung trug keinerlei Früchte und es gibt kaum Dokumente darüber. Dowson, ohnehin kränklich und tuberkulös dazu, hat sich wohl letztlich zu Tode getrunken und starb im Elend. - Immerhin jedoch widmete ihm George sein Gedicht "Juli-Schwermut".
Von Dowson gibt es zwei deutsche Buchausgaben, die aber beide nicht seiner Lyrik galten. 1903 erschienen im jungen Insel Verlag in Leipzig seine Erzählungen "Dilemmas" mit von Walter Tiemann gestaltetem Titel, vom in diesen Jahren fast unvermeidlichen Felix Paul Greve (1879-1948) übersetzt (der um 1910 hochverschuldet nach einem fingierten Selbstmord verschwand; erst in den 1970er Jahren stellte sich heraus, daß Frederick Philip Grove, einer der Väter der modernen kanadischen Prosa, eine vor-kanadische Biographie unter dem Namen Felix Paul Greve hatte...). Noch 1921 erschien in einer auf 800 Exemplare limitierten Liebhaberausgabe im Münchner Hyperionverlag sein kleines Versspiel "Einen Augenblick Pierrot" ("The Pierrot of the minute"), illustriert von Aubrey Beardsley, verdeutscht von Johannes von Guenther (1886-1973), einem selbst von George und dem russischen Symbolismus geprägten Lyriker, der allein die halbe russische Literatur übersetzt hat. Die Personen dieses kleinen versifizierten Dialogs sind Pierrot und das --- Mond-Fräulein - auch eine "Flos Lunae"?
Der Lyriker Dowson - und das ist der wesentliche Dowson, das darf man ohne weiteres behaupten! - blieb dagegen unseren lieben Deutschen weitgehend vorenthalten. Stefan George hat drei Gedichte von ihm verdeutscht, zwei findet man bei Georg von der Vring (1889-1968) und Ernst Blumenberg (1888-1973), ein kurzes bei Ludwig Goldscheider (1896-1973), am Cynara-Gedicht versuchte sich - neben Blumenberg - Gerhard Amanshauser (1928-2006). Wahrscheinlich ließen sich ein paar Nachdichtungen mehr finden, Legion sind sie jedenfalls nicht.
Hier gibt es definitiv viel nachzuholen!